Überlieferungen.

Sagen und Legenden

Schlucht bei St. Antönien
Den Prättigauern wurde ein «das schweizerische Mittelmass übersteigender Hang zu mythologischen Betrachtungsweise» nachgesagt. Gar viele Sagen über «Fänggen» (riesen- und zwerghafte Naturgeister) «wildi Mannli» und andere Sagengestalten bewegten und bewegen noch heute die Gemüter der Prättigauer.

Es ist noch nicht lange her, dass noch von Leuten erzählt wurde die "mehr können als Brot essen" und deren Voraussagen und Hilfeleistungen Erstaunen auslösten. Von Überfrommen als Teufelswerk, vom Rationalisten als primitiver Aberglaube bezeichnet, von der modernen Tiefenpsychologie (C.G. Jung) aber nicht ohne weiteres als irgend ein Machwerk abgetan, gab es Vorkommnisse, die nach dem Gesetz von Ursache und Wirkung nicht zu erklären waren...
Die Unmittelbarkeit des Kontaktes mit der Natur trägt wohl bei manchen dazu bei, dass über die Religiosität im engeren Sinn hinaus, Begebenheiten für möglich gehalten werden, die sich der logischen Erklärung entziehen...

Quelle: Das Prättigau (Land und Leute in Bildern) Herausgeber Pro Prättigau

Der wilde Küher von Conters

Ein wildes Männlein hütete mehrere Jahre die Kühe von Conters, ohne Lohn dafür zu begehren; es ging aber nie ins Dorf, sondern das Vieh wurde jeden Morgen hinaus getrieben, wo es der wilde Küher in Empfang nahm und, wie es schien, zu seinem Vergnügen besorgte. Die Conterser dachten am Ende doch, sie seien ihm eine Erkenntlichkeit schuldig, schafften ihm eine vollständige, schöne Kleidung an und legten sie ihm an den Ort, wo er morgens die Kühe übernahm. Dem Wilden gefiel der Schmuck; er probierte lange hin und her, bis er die ungewohnte Tracht angezogen hatte und besah sich dann selbst mit einigem Wohlgefallen. Da kam eine bisher unbekannte Empfindung in sein Herz: die Eitelkeit. Er sprang und tanzte eine Zeit lang umher, sang und jubelte; er warf seinen Hirtenstock weit weg und sang immer nocht tanzend «Was wet au so na Weideleman meh mit dä Chüehnä z'weidelä gan.» Dann lief er lustig fort in den Wald und wurde nie wieder gesehen. Die Kühe aber gaben seither nicht mehr soviel Milch....

Quelle: G. Fient

Der Goldfund auf der Alp Casanna

Ein Mann aus Mezza-Selva namens Lemm, der eine Frau aus Fondei hatte, wollte einmal nach seiner Frauen Heimat reisen. Er ging nachts über den Berg und gewahrte in der Dunkelheit ein helles Licht, das immer gleich gross und am gleichen Orte blieb; er ging auf dieses Licht zu, die Helle jedoch entströmte nur einem Stein.

Es war Sommerszeit und gutes Wetter, weshalb er sich beim leuchtenden Stein lagerte, um sich das merkwürdige Ding am Morgen näher anzusehen. Am Morgen fand er diesen Stein nicht mehr. Der musste bergab gerollt sein, und er ging verdriesslich weiter. In der Nähe, wo er geschlafen, war eine Rüfe. Wie er diese überschreiten wollte, erblickte er im blauen Lehm in der Rüfe ein gelbes schönes Metall, nahm davon und versuchte es zu schmelzen. Auf dem Rückweg lud er an dieser Stelle von diesem Metall seinem Saumrosse eine Ladung auf und brachte seinen Fund einem Scheidekünstler in Feldkirch, der ihm 16 Philippstaler dafür gab. Die weiteren Ladungen brachten immer erhöhte Bezahlungen ein, so dass Lemm bald ein Bauerngut kaufen konnte. Sein geheimnisvolles Treiben erregte Verdacht, seine Fundgrube wurde entdeckt, aber von da an verschwand der Schatz, und dieser Verdienst hatte ein Ende.

Quelle: Aus P. Keckeis: Sagen der Schweiz, Graubünden, 1995, Limmatverlag, Zürich